Nachdem Naoko Nakao, Übersetzerin für Japanisch bei WiseTech Global, mit ihrer Familie vor über 27 Jahren von Japan nach Australien zog, entschied sie sich, ihre eigene Karriere auf den Weg zu bringen und sich eine Existenz in einem fremden Land aufzubauen.

Zur Feier des Internationalen Frauentags haben wir uns mit Naoko getroffen und über ihren Werdegang in Australien gesprochen, darüber, wie wichtig es ist, geschlechterspezifische Benachteiligungen am Arbeitsplatz anzugehen und was das Thema des diesjährigen Internationalen Frauentag „Break the Bias“ für sie persönlich bedeutet.

Können Sie uns ein wenig über Ihren Werdegang erzählen?

Ich habe meine Karriere 1994 mit dem Umzug nach Australien als freiberufliche Japanisch-Übersetzerin begonnen. Dann begann ich meinen Job bei Toyota, wo ich siebzehneinhalb Jahre arbeitete, zunächst als Assistentin der Geschäftsleitung für japanische Führungskräfte, später dann als Teamleiterin in der Preisgestaltung für Kfz-Teile und -Zubehör.

Zuletzt arbeitete ich als Japanisch-Dolmetscherin für Sydney BridgeClimb, ein Unternehmen, das die Besteigung der berühmten Harbour Bridge organisiert, doch leider kamen aufgrund von COVID kaum noch japanische Touristen nach Australien. Auf LinkedIn wurde ich schließlich von einer Mitarbeiterin der Personalabteilung von WiseTech kontaktiert, die mich fragte, ob ich mir die Arbeit in einem Technologie-Unternehmen vorstellen könnte und so bin ich bei WiseTech Global gelandet.

Wie empfinden Sie Ihre Arbeit in einem Technologieunternehmen?

Zunächst stellte ich es mir recht schwierig vor, weil es sich so von meinen bisherigen Arbeitsumgebungen unterschied, aber es gefällt mir wirklich gut. WiseTech ist auf Logistik-Software spezialisiert und es gibt so viel zu lernen, die Arbeit ist also sehr interessant und die Menschen hier sind sehr freundlich und aufgeschlossen.

Einer der größten Unterschiede zwischen japanischen Unternehmen und einem Unternehmen wie WiseTech ist, dass wir hier sehr flache Hierarchien haben und unser Mantra „jeder kann jederzeit mit jedem sprechen“ wirklich leben. Wenn ich also mit Richard, unserem CEO, sprechen möchte, kann ich das tun. Bei japanischen Unternehmen läuft das ganz anders. Wenn man einfach so den CEO ansprechen würde, würde man viel Missbilligung ernten, denn alles ist sehr hierarchisch strukturiert. Die flachen Strukturen und offene Kommunikation schätze ich an meiner Arbeit bei WiseTech sehr.

Auf welche Leistung im Berufs- oder Privatleben sind Sie besonders stolz?

Ich bin ganz besonders stolz auf etwas, das ich während meiner Zeit bei Toyota erreicht habe: Das Unternehmen schickte regelmäßig ein Team von acht männlichen Läufern zu einem globalen Sport-Event in Japan. Viele Frauen im Unternehmen waren darüber sehr frustriert, weil wir so viele engagierte Läuferinnen hatten, die an diesem Event nicht teilnehmen konnten.

Ich habe eine Kampagne ins Leben gerufen, um ein Team von Läuferinnen zu dem Event zu schicken, indem ich eine unternehmensweite Umfrage gestartet habe. Die Umfrage-Ergebnisse waren überwältigend und bewegten das Unternehmen tatsächlich dazu, die Unternehmensrichtlinien anzupassen und sowohl ein Team von Läufern als auch ein Team von Läuferinnen nach Japan zu schicken. Von da an wurde jedes Jahr ein Team von Läuferinnen zu dem Wettbewerb nach Japan geschickt.

Obwohl ich für Toyota in Australien arbeitete, ist der Hauptsitz immer noch in Japan, es handelte sich dabei also um eine riesige Veränderung der Unternehmenskultur, welche die Mitarbeiterinnen sehr schätzten. Ich war sehr stolz darauf, dass ich zur Überbrückung der Kluft zwischen den Geschlechtern beitrug und eine Veränderung der Unternehmenskultur anstoßen konnte.   

Was bedeutet der Internationale Frauentag für Sie persönlich?

Er ist eine Möglichkeit, die Leistungen und Beiträge von Frauen, inklusive der Chance auf gleiche Bezahlung und gleiche Karrieremöglichkeiten, zu feiern.

Als ich in Japan aufwuchs, gab es viele kulturelle Unterschiede, da Frauen sich nicht wirklich Gehör verschafften und viel weniger Freiheiten hatten als wir hier in Australien. Aber ich bin mit mehreren Brüdern aufgewachsen und war selbst ein kleiner Wildfang, daher war ich ein wenig naiv bezüglich der kulturellen Normen, die mir als Frau auferlegt wurden. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich etwas nicht könnte und war mit stets sicher, dass mir alle Türen offen stehen.

Was bedeutet das diesjährige Motto des Internationalen Frauentags „Break the Bias“ für Sie?

Das erste, was mir dazu einfällt, ist das Zitat von Napoleon: „Das Wort ‚unmöglich‘ gibt es nur im Wörterbuch von Narren. Kluge Menschen schaffen sich selbst Gelegenheiten und machen das Unmögliche möglich.“

Kurz nachdem ich vor über zwei Jahrzehnten mit meiner Familie nach Australien gezogen bin, trennte ich mich von meinem damaligen Ehemann und nahm mir vor, finanziell unabhängig zu werden. Ich nahm meine eigene Karriere in Angriff und obwohl ich ganz von vorne anfing, wusste ich genau, dass mir auch das gelingen würde.

Ich fing an, als Übersetzerin zu arbeiten und kaufte schließlich ein Haus. Sogar meine eigenen Kinder waren verblüfft, dass ich das ganz alleine geschafft habe. 2011 erhielt ich dann die australische Staatsbürgerschaft und ich bin sehr stolz auf das Leben, das ich mir hier aufgebaut habe.

Inzwischen bin ich Oma von vier Enkelkindern und spiele seit 26 Jahren Fußball.  Ich konnte einfach nicht anders, als selbst Fußball zu spielen, als ich meinen Kindern bei ihren Spielen zusah. Also ging ich 1995 zum Werbestand eines Fußballvereins und fragte, ob sie ein Team hätten, dem ich beitreten könnte (damals war ich Ende dreißig). Sie sagten direkt „nein“, also ging ich zum Stand eines anderen Fußballvereins, der zufällig im gleichen Einkaufszentrum aufgeschlagen hatte. Sie hatten zwar kein Frauen-Team, aber meinten „Warum eigentlich nicht? Was für eine tolle Idee!“ und all die Frauen am Stand sagten spontan, dass sie Interesse hätten und mitmachen würden. Und so wurde vor 26 Jahren das Frauen-Team des Belrose Terrey Hills Soccer Club gegründet.

Für mich bedeutet „Break the Bias“ also innovativ zu sein, aus eingefahrenen Denkmustern auszubrechen, und den Mut zu haben, nach den Dingen zu greifen, die wie im Leben wirklich wollen.