Zu Beginn der Pandemie sahen sich Logistiker in ganz China - wie viele unserer Kollegen auf der ganzen Welt - mit einer Reihe noch nie dagewesener Herausforderungen konfrontiert. Diese reichten von einem starken Nachfragerückgang bis hin zu Engpässen bei den Transportkapazitäten und stark beeinträchtigen Transportnetzwerken.
Folgende Einschätzung der „China Federation of Logistics and Purchasing“ soll Ihnen diese ersten Auswirkungen veranschaulichen:1 Das gesamte Logistik-Frachtvolumen in China ist von Januar bis Februar 2020 um 19,8 % gegenüber dem gleichen Zeitraum im Jahre 2019 gesunken.
Rückblicken kam erschwerend hinzu, dass die Pandemie während des chinesischen Frühlingsfestes auftrat, als viele von uns in unsere Heimat zurückgekehrt und weit von unseren Arbeitsplätzen entfernt waren.
Aufgrund der Lockdowns waren die Logistikkapazitäten in China - insbesondere im Straßengüterverkehr - stark eingeschränkt.
Aus meinen Gesprächen mit Kunden und anderen Branchenführern während dieser Zeit ging hervor, dass sich ein immenser und unmittelbarer Druck aufgebaut hatte. Die Teams sollten einerseits von einer sicheren Arbeitsumgebung profitieren, jedoch mussten dabei andererseits die Kosten im Auge behalten und weiterhin der hochwertige Service geliefert werden, den Kunden von ihnen erwarteten.
Es handelt sich dabei eindeutig um eine Gratwanderung.
Der Mangel an Arbeitskräften trug zu höheren Betriebskosten bei, außerdem erschwerten die vielen Unsicherheiten, die mit den Lockdowns und Beschränkungen einhergingen, die Planung von Transportrouten, was wiederum zu erhöhten Transportkosten führte. Zusätzliche finanzielle Aufwendungen, um die Ausbreitung des Virus zu vermeiden (zum Beispiel kontaktlose Abläufe und die Desinfektion von Paketen) bedeuteten natürlich auch geringeren Profit.
Trotz all dieser Hürden sahen wir etwas Licht am Ende des Tunnels. Nach einem harten 1. Quartal war Chinas V-förmige Erholung im Jahr 2020 stärker, als viele der weltbesten Wirtschaftswissenschaftler dies überhaupt hätten vorhersagen können.
Die Erholung der nationalen und internationalen Nachfrage treibt das hohe Wachstum an.
Während die Nachfrage im Inland zu Beginn der Pandemie stark gesunken ist, ist das Wachstum des Online-Handels seither steil angestiegen. Laut des chinesischen Statistikbüros2 stiegen im Zeitraum von Januar bis Oktober 2020 die Umsätze im Online-Handel im Vergleich zum Vorjahr um 16 % und machten 24 % der gesamten Umsätze im Konsumgüter-Einzelhandel aus.
Darüber hinaus hat China, das von der Exportnachfrage aus Ländern profitiert, deren Lieferketten weiterhin unterbrochen sind, seine Produktionstätigkeit schnell wieder aufgenommen und erfreut sich seit dem zweiten Quartal einer stärker als erwarteten Exportleistung.
Auch wenn niemand die Zukunft vorhersagen kann, kann ich aus eigenen Erfahrungen sagen, dass widerstandsfähige Logistikunternehmen sich auf ihr Wachstum konzentrieren, wagemutige Schritte unternehmen, wo es erforderlich ist, und flexibel genug bleiben, um auf die sich ständig ändernden Marktbedingungen zu reagieren.
Es besteht kein Zweifel, dass COVID-19 Chinas Lieferketten noch lange beeinflussen wird.
Nachfolgend erläutern wir drei Trends, von denen wir erwarten, dass sie die Logistikbranche hierzulande im Jahr 2021 und darüber hinaus prägen werden.
Die Digitalisierung ist für nachhaltigen Erfolg unerlässlich.
Investitionen in digitale Technologien stehen ganz klar ganz oben auf der Prioritätenliste der Geschäftsführung, da Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen sowie steigende Personalkosten und Anforderungen an den Kundenservice momentan einen großen wirtschaftlichen Einfluss auf Unternehmen ausüben.
Interessanterweise glauben viele Logistikleiter, mit denen ich mich unterhalten habe, dass die Digitalisierung in ihren Unternehmen viel schneller vorangeschritten ist, als sie es sich je hätten erträumen können. Die Pandemie zwang sie dazu, ihre Digitalisierungs-Initiativen zu beschleunigen und Implementierungen, die auf lange Sicht geplant waren, wurden innerhalb von wenigen Monaten abgeschlossen.
Für das chinesische Speditionsunternehmen Sanco International, bedeutete die Entscheidung, unsere tief integrierte Logistik-Plattform, CargoWise, im Jahr 2019 einzuführen, dass sie für die Pandemie gewappnet waren, so LT Huang, Managing Director.
Da viele der Kunden, Mitarbeiter und Partner von Sanco sich während des Verlaufs der Pandemie überall im Land aufhielten, erleichterte das Cloud-basierte Modell von CargoWise die nahtlose Kommunikation und Zusammenarbeit innerhalb des gesamten Netzwerks und bedeutete, dass sie in der Lage waren, sich schnell von unsicheren Marktbedingungen und steigenden Kundenanforderungen zu erholen.
So hat Sanco in den ersten drei Quartalen des Jahres 2020 sein Volumenziel um 15 % übertroffen und somit bereits 86 % des Jahresziels an Frachtvolumen erreicht. Außerdem haben sie ihr Ertragsziel um 5 % übertroffen und eine 50 %ige Verbesserung der betrieblichen Effizienz verzeichnet, was ihren Kundenservice und ihre Geschäftsabläufe auf ein neues Niveau hebt.
Die Zentralisierung und Integration der Branche wird kontinuierlich beschleunigt.
Laut einer Analyse von Bloomberg 3 wurden in diesem Jahr bisher Übernahmen chinesischer Logistikunternehmen im Wert von rund 5,5 Mrd. US-Dollar angekündigt, das stärkste erste Quartal überhaupt.
Es lässt sich nicht abstreiten, dass die Pandemie dafür gesorgt hat, dass kleinere Unternehmen noch schneller geschluckt werden. Zusätzlich dazu richten immer mehr führende Logistikunternehmen ihren Fokus auf die gesamte betriebliche Wertschöpfungskette aus, um ihre Wettbewerbsfähigkeit und Rentabilität zu steigern.
Eine attraktive Expansionsmöglichkeit ist die Kühllagerung, die eine entscheidende Bedeutung erlangt hat, da immer mehr Länder Impfstoffe und andere Hilfsmittel zur Bekämpfung des Coronavirus importieren.
Eine verstärkte regionale Wirtschaftskooperation fördert die Wachstumschancen für chinesische Unternehmen.
Eine wichtige Neuerung im vergangenen Jahr war, dass der Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) im 1. Quartal des Jahres 2020 zum größten Handelspartner Chinas wurde und damit zum ersten Mal sowohl die USA als auch die Europäische Union überholte.
Und mit der Ratifizierung der Regional Comprehensive Economic Partnership durch das chinesische Handelsministerium Anfang März 2021 sind die Chancen für eine Handelsliberalisierung unter allen 15 Mitgliedern und für das Wirtschaftswachstum der gesamten asiatisch-pazifischen Region angestiegen.
Die Regeln des Abkommens zu Zöllen, zur Akkumulation von Herkunftsregionen und zu negativen Investitionslisten werden die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen den Mitgliedsländern weiter stärken, den Aufbau der industriellen Lieferkette innerhalb der Region flexibler gestalten und die wirtschaftliche Zusammenarbeit festigen.
Natürlich gilt hierbei zu beachten, dass sich der wirtschaftliche Entwicklungsstand der jeweiligen Ländern der asiatisch-pazifischen Region stark voneinander unterscheidet. Ein allgemeiner Trend zur regionalen Zusammenarbeit kristallisiert sich jedoch heraus und wird sich in den kommenden Monaten und Jahren voraussichtlich noch stärker hervorheben.
1China Federation of Logistics and Purchasing, “Analysis of Logistics Operation from January to February in 2020”.
2National Bureau of Statistics of China, “Total retail sales of consumer goods went up by 4.3 percent in October 2020”.
3Bloomberg, “PE firms are feasting on China’s $5.5 billion logistics M&A”.