Wir haben kürzlich mit Helen Brand, Productivity and Systems Partner im People Operations Team, gesprochen. Helen erzählte von ihrem*seinem inspirierenden Weg zur Selbstakzeptanz, davon, wie ihr*sein Coming-out als nicht-binär ihr*sein Leben verändert hat, und von Helens Ratschlägen für andere, die ihre Geschlechtsidentität erforschen.

Wann haben Sie bei WiseTech angefangen?

Ich habe 2017 einen Nebenjob bei WiseTech angefangen und war als Verwaltungskraft tätig. Dann wechselte ich für etwa 18 Monate zur Rechtsabteilung, bevor ich im November 2018 als eines der Gründungsmitglieder dem People Operations-Team beitrat. Heute bin ich Productivity and Systems Partner in der globalen Personalabteilung und arbeite in Sydney.

Bevor ich zu WiseTech kam, habe ich in der Gastronomie und im Gesundheitswesen als Krankenpfleger*in gearbeitet, war also mit dem Büroalltag noch nicht vertraut. Es war eine völlig neue Umgebung und Erfahrung für mich, und es ist großartig, wie sehr ich seitdem in meiner Karriere gewachsen bin.

Ich liebe an meiner Arbeit bei WiseTech, dass jede*r seine*ihre Funktion selbst gestalten kann. Das Unternehmen gibt uns eine Menge Freiheit und Flexibilität, neue Fähigkeiten zu erlernen und unseren eigenen Weg zu gehen, was ich einfach wunderbar finde. Ich bin so dankbar für die vielen Chancen, die mir hier geboten werden.

Wie gefällt Ihnen die Arbeit im Home Office bisher?

Am Anfang war es definitiv eine große Umstellung - da People Operations ein so eng zusammengeschweißtes Team ist, war es schon eine große Umstellung, meine Kolleg*innen nicht jeden Tag zu sehen, und ich vermisse das Miteinander im Büro immer noch sehr. Dennoch bin ich unglaublich dankbar, dass wir die Möglichkeit haben, von zu Hause aus zu arbeiten und uns auch von dort aus weiterhin an wirklich sinnvollen Projekten und Initiativen beteiligen können.

Als wir ins Home Office gewechselt haben, hat unser Team sofort eine Reihe von Team-Aktivitäten ins Leben gerufen, um sicherzustellen, dass wir weiterhin miteinander in Kontakt bleiben würden. Darüber hinaus haben wir uns regelmäßige Kommunikation miteinander zur Priorität gemacht, und ich glaube, dass wir das alle relativ gut hinbekommen haben.

Einer der positivsten Aspekte an der Arbeit im Home Office ist die neu gewonnene Flexibilität. Als ich noch im Büro arbeitete, habe ich oft am Schreibtisch zu Mittag gegessen und bin nicht so oft vor die Tür gegangen. Jetzt gehe ich in der Mittagspause mit meinen Hunden spazieren, erledige Gartenarbeit und investiere generell mehr Zeit in mich selbst. Mein Leben ist allgemein ausgeglichener und ich profitiere davon immens.   

Worauf sind Sie wirklich stolz - egal ob in Bezug auf die Arbeit oder Privates?

Ich glaube, die größte Hürde, die ich überwunden habe, besteht darin, mich selbst wirklich zu akzeptieren, damit glücklich und zufrieden zu sein und mich in meiner Haut wohlzufühlen. Ich hatte seit meinem 11. Lebensjahr mit meiner Psyche zu kämpfen und würde mich erst seit wenigen Jahren als komplett mental und physisch gesund bezeichnen.

Auf dem Weg dahin habe ich viel Zeit damit verbracht, an mir selbst zu arbeiten und mich mit meinem eigenen Trauma auseinanderzusetzen und es zu bewältigen. Ich bin stolz darauf, dass ich meine mentale Gesundheit jeden Tag aufs Neue zu meiner obersten Priorität mache und mich persönlich stets weiterentwickle.

Können Sie, als nicht-binäre Person, ein wenig über Ihre Erfahrungen berichten?

Ich bin in den letzten Jahren zu dieser Erkenntnis gelangt und habe gelernt, meine Identität zu akzeptieren. Ich wusste schon mit 11 Jahren, dass ich queer bin, und habe mich dann mit 21 Jahren geoutet. Aber selbst da wusste ich schon, dass irgendetwas nicht stimmte, konnte jedoch nicht genau sagen, was es war. Mir fehlten sowohl die richtigen Worte, als auch das Verständnis für dieses Gefühl und diese Vorahnung.

Schon bei der Geburt werden wir irgendwie in diese Geschlechterrollen hineingedrängt, und uns entweder der Stempel „männlich“ oder „weiblich“ aufgedrückt. Aber ich habe mich nie als Frau gefühlt, aber ich wusste auch, dass ich mich nicht als männlich identifiziere, war also viele Jahre sehr verwirrt.

Ich habe mit einer Person, die mir sehr nahe steht, darüber gesprochen, wie ich mich fühle und wie es in meinem Inneren aussieht, und das hat mir unheimlich geholfen, damit zurecht zu kommen. Und ich denke, dass die ganze Arbeit an mir selbst mir das zusätzliche Selbstvertrauen gegeben hat, mit jemandem über ein Thema zu sprechen, über das ich nicht wirklich viel wusste, ohne Angst zu haben, dafür verurteilt zu werden.

Darüber hinaus habe ich mir die Geschichten anderer Menschen durchgelesen, und dabei wurde mir klar, wie sehr ich mich mit ihren Erfahrungen identifizieren und sie nachempfinden konnte. Danach wusste ich, dass dies die perfekte Gelegenheit für mich wäre, darüber zu sprechen. Und dann schickte mein*e Partner*in, der*die ebenfalls im People Operations Team arbeitet, eine E-Mail an das Team, in der er*sie ihnen mitteilte, dass er*sie seine*ihre E-Mail-Signatur mit seinen*ihren bevorzugten Pronomen aktualisiert hätte. Er*Sie sendete auch einen Link zu einem Artikel, in dem erklärt wurde, warum Pronomen wichtig sind und warum wir sie am Arbeitsplatz entsprechend verwenden sollten.

Ich hatte also mein eigenes Mini-Coming-Out, indem ich ein paar Leuten in meinem Umfeld meine bevorzugten Pronomen mitteilte (er*sie*ihre) und auch meine E-Mail-Signatur entsprechend anpasste. Einige Leute in meinem Umfeld haben mich daraufhin privat angesprochen und mir gesagt, dass ihnen aufgefallen ist, dass ich meine Pronomen aktualisiert habe, und dass sie sich für mich freuen und mich unterstützen - das war ein ganz wunderbares Gefühl für mich. Als ich dann sah, dass auch meine Teammitglieder ihre bevorzugten Pronomen in ihre E-Mails aufnahmen, bedeutete das, dass sie ihre unterstützenden Worte in die Tat umgesetzt hatten, und ich fühlte mich noch mehr angenommen und akzeptiert.

Wie hat sich Ihr Leben verändert, seit Sie sich als nicht-binär geoutet haben?

Mein echtes, wahres Ich zu zeigen hat mir lange Zeit Sorgen bereitet. Mir war bereits seit meinem 11. Lebensjahr klar, dass ich queer bin, und damals, in den späten 90er und frühen 2000er Jahren, konnte man sich nicht so einfach outen wie heute. Ich habe also lange Zeit meiner Familie, meinen Freunden und der Gesellschaft im Allgemeinen zuliebe so getan, als sei ich jemand, der ich eigentlich nicht bin.

Mich als queer zu outen, war ein wichtiger und monumentaler Schritt für mich, und dass ich mich jetzt als nicht-binär identifizieren kann, ließ mich in einen neuen Lebensabschnitt eintreten, in dem ich wirklich Ich sein kann. All das gab mir mehr Sicherheit und Selbstvertrauen und ich kann mich der Welt jetzt so präsentieren, wie ich es möchte. Die Gewissheit zu haben, dass die Welt mich so sieht, wie ich wirklich bin und dies auch anerkennt, ist ein sehr befreiendes Gefühl für mich. Es macht mich sehr glücklich, wenn die Menschen in meinem Umfeld Akzeptanz und Unterstützung zeigen. Es ist ein wunderbares Gefühl.

Wie ist man ein guter Verbündeter oder eine gute Verbündete?

Beide Seiten müssen gut zusammenarbeiten können. Es ist besonders wichtig, dass sich jede*r Einzelne die Zeit nimmt, sich zu informieren, aber es ist auch wichtig, dass wir nicht-binären Personen andere ermutigen, und die richtigen Artikel, Informationen und Geschichten weiterleiten, damit sie besser verstehen, was es bedeutet, nicht-binär zu sein.

Nachdem ich mich als nicht-binär geoutet hatte, sagte eine meiner Kolleginnen zu mir, dass sie sich über so etwas noch nie Gedanken gemacht hatte und daher auch nie daran gedacht habe, dass es Menschen gibt, die ihre Identität derart in Frage stellen müssen. Sie hat sich dann selbstständig informiert und die korrekte Verwendung von Pronomen angeeignet, was ich wirklich zu schätzen weiß.

Falls man aus Versehen das falsche Pronomen verwendet, ist es wichtig, sich nicht damit aufzuhalten, sondern den Fehler einzugestehen, sich das Feedback anzuhören und dafür zu sorgen, dass sich der*diejenige gehört und verstanden fühlt, und die Selbsteinschätzung dieser Person ernst zu nehmen und nicht zu hinterfragen. Es geht wirklich nur darum, sich zu bemühen, Verständnis und Unterstützung zu zeigen und Menschen mit Würde, Respekt und Mitgefühl zu behandeln.

Was bedeutet es für Sie, wenn Sie sehen, dass andere sich als nicht-binär outen?

Ich finde das fantastisch! Ich konnte bereits einigen, bekannteren Persönlichkeiten dabei zusehen, wie Sie sich geoutet haben und finde es besonders wichtig, dass diese Menschen Ihre Plattform nutzen, um das Bewusstsein für dieses Thema zu schärfen und mit Stigmata oder falschen Vorstellungen aufzuräumen. Das Thema Coming-Out wird häufig negativ dargestellt, aber wenn berühmte oder bekannte Personen sich daran beteiligen und Ihre Erfahrungen teilen, dann wird der Eine oder die Andere davon inspiriert und bestärkt. Ich hoffe wirklich, dass es andere Menschen, die innerlich mit sich selbst hadern, dazu inspiriert, das Gleiche zu tun und zu erkennen, dass es völlig in Ordnung ist, sein authentisches Selbst nach außen zu kehren.

Wenn man dabei zusehen kann, wie Menschen lernen, sich selbst zu akzeptieren und damit glücklich sind, wird mir - auch wenn es kitschig klingt - ganz warm ums Herz, denn ich kann dieses Gefühl, endlich wirklich zu akzeptieren, wer man ist, und damit glücklich zu sein, absolut nachempfinden. Es gibt kaum ein schöneres Gefühl.

Mittlerweile gibt es in vielen Personalakten und Umfragen die Option „Drittes Geschlecht“ auszuwählen, welche Bedeutung hat das für Sie?

Es handelt sich hierbei definitiv um eine positive Veränderung und einen Schritt in die richtige Richtung. Ich finde es toll, dass es jetzt einfach mehr Optionen gibt und man nicht mehr gezwungen ist, ein Geschlecht zu wählen, mit dem man sich unter Umständen überhaupt nicht identifizieren kann. Ich habe immer noch das Gefühl, dass wir manchmal als diese „andere“ Gruppe von Menschen, die nicht der Norm entsprechen, abgestempelt werden, obwohl ich nicht weiß, was die Alternative wäre, aber ich habe das Gefühl, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben. Dennoch denke ich, dass die Tatsache, dass es eine alternative Option zu „männlich“ und „weiblich“ gibt, ein Riesenschritt ist. Für mich persönlich ist es eine große Erleichterung, jetzt „Drittes Geschlecht“ zur Verfügung zu haben und nicht „weiblich“ auswählen zu müssen.  

Was bedeuten Vielfalt und Inklusion für Sie persönlich?

Für mich sind diese Begriffe synonym mit der Anerkennung und Würdigung von Unterschieden. Es geht darum, Kreativität zu zelebrieren und Verständnis für Mitmenschen, sowohl am Arbeitsplatz, als auch im Privatbereich, an den Tag zu legen. Dazu gehört auch, Menschen, die einen anderen Background haben, sei es aufgrund ihres Aussehens, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder warum auch immer, zu akzeptieren und nicht zu verurteilen. Es geht darum, unsere Unterschiede zu akzeptieren und zu zelebrieren.

Angestellte bei WiseTech waren schon immer sehr divers und in den letzten Jahren war es wirklich großartig, einige der Strategien und Initiativen zu sehen, die das Unternehmen eingeführt hat, um Vielfalt und Inklusion noch stärker zu fördern. Allein die Tatsache, dass wir dieses Interview führen und mir eine Plattform gegeben wird, um meine eigene Geschichte zu erzählen, ist einfach großartig, und ich kann es kaum erwarten, zu sehen, was WiseTech im Bereich Vielfalt und Inklusion noch alles erreichen wird.

Welchen Rat würden Sie Menschen geben, die auf ihrem persönlichen Weg zur Selbsterkenntnis und -akzeptanz noch am Anfang stehen?

Es gibt da draußen viele Menschen, die ähnliche Erfahrungen mit ihrer Geschlechtsidentität machen wie ich, und einige teilen ihre Probleme mit ihrem Umfeld, während andere vielleicht im Stillen leiden. Mein Rat wäre also, sich an jemanden zu wenden, dem man vertraut, und ein erstes Gespräch zu führen. Es kann sehr hilfreich sein, mit einer vertrauten Person zu sprechen und ihre Unterstützung zu spüren.

Mein wichtigster Ratschlag ist, sich immer wieder klar zu machen, dass man nicht allein ist, und sich selbst so anzunehmen, wie man ist. Ich hätte mir vor ein paar Jahren wirklich gewünscht, dass ich netter zu mir selbst und stolz auf mich selbst sein könnte.